Liebe Freundinnen und Freunde,

während Merkel und Obama über TTIP reden, braut sich beim EU-Kanada-
Abkommen CETA rasch eine Entscheidung zusammen. Direkt parallel zur mit
90.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmen starken TTIP-Demo in Hannover
haben wir Grünen in NRW klare Kante gezeigt: Die
Landesdelegiertenkonferenz unserer NRW-Grünen hat nun mit Blick auf eine
mögliche Befassung im Bundesrat unmissverständlich klar gemacht, dass
CETA in der vorliegenden Form nicht zustimmungsfähig ist.

Zum Hintergrund: Schon im Juni wollen die Handelsminister der EU
beschließen, CETA der Ratifizierung zuzuführen. CETA ist auch eine
Vorentscheidung über TTIP, da viele Instrumente in beiden Verträgen
identisch sein sollen. So enthält das nun ausverhandelte CETA-Abkommen
die umstrittenen Sonderklagerechte für Unternehmen. Ebenso beinhaltet
das Abkommen die sogenannte regulative Kooperation, durch die sich die
EU und Kanada verpflichten würden, die Handelspartner und ihre
Interessensvertreter über neue regulative Initiativen frühzeitig zu
informieren. Starke Lobbyinteressen können so gemeinwohlorientierten
Regeln noch mehr Steine in den Weg legen, als es ohnehin schon der Fall
ist. Und schließlich greift CETA in die Selbstverwaltungsrechte der
Kommunen und Länder ein, indem Ausschreibungspflichten erweitert und
vollzogene Liberalisierungen kaum noch rückholbar werden.

Dabei ist bislang unklar, ob die EU-Kommission CETA als gemischtes
Abkommen auffasst und es damit allen Mitgliedsländern zur Ratifizierung
vorgelegt werden muss, nachdem der Rat der Handelsminister und das
Europaparlament zugestimmt haben. Der zuständige Minister und SPD-
Vorsitzende Gabriel hat der deutschen ?ffentlichkeit versprochen, dass
bei CETA und TTIP Bundestag und Bundesrat mitentscheiden dürfen. Daher
ist nun entscheidend, dass die Bundesregierung im Rat klarmacht, dass
ein Handelsvertrag mit solcher Reichweite nicht ohne Beschluss in den
nationalen Parlamenten in Kraft treten darf.

Auf meinen ?nderungsantrag hin beschloss die
Landesdelegiertenversammlung einstimmig: „CETA und TTIP greifen zudem in
die Kompetenzen der Mitgliedsländer und der deutschen Bundesländer ein.
Die Bundesländer haben besonders gegenüber den Selbstverwaltungsrechten
der Kommunen eine besondere Schutzverantwortung. Wir setzten uns daher
mit Nachdruck dafür ein, dass diese Abkommen als gemischte Abkommen dem
Bundestag und Bundesrat zur Entscheidung vorgelegt werden. Wir fordern
zudem die Europäische Kommission auf, diese weitreichenden und
gesellschaftlich hoch umstrittenen Abkommen nicht zur vorläufigen
Anwendung vorzuschlagen.
Zudem fordern wir die Bundesregierung auf, weitere Nachverhandlungen
am Vertragstext durchzusetzen. Wir sagen klar: Ein Abkommen, das
Investor-Staat-Schiedsgerichte enthält, das Vorsorgeprinzip auch nur
indirekt in Frage stellt oder die Handlungsfreiheit der Kommunen
beschränkt, ist für uns nicht zustimmungsfähig.“

Die Internet-Kampagnenorganisation Campact hat allen Grünen
Landesverbänden und Landtagsfraktionen mit Regierungsbeteiligung sowie
der Bundespartei einen Brief geschrieben und gebeten, ihre Position zur
Ratifizierung von CETA im Bundestag und im Bundesrat klarzustellen.
Denn wir Grünen verfügen über unsere Regierungsbeteiligungen in den
Ländern im Bundesrat über die Möglichkeit, CETA und TTIP zu stoppen,
wenn es als gemischtes Abkommen angesehen wird. Die Grünen in Thüringen
und in NRW haben nun per Brief an Campact klargemacht, dass sie den
vorliegenden CETA-Text im Bundesrat für nicht zustimmungsfähig halten.
Die Bundespartei hat sich ebenso eindeutig positioniert, wie auch
unsere ablehnende Position im Europaparlament feststeht. Bisher fehlen
solche Antworten an Campact aus Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg,
Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-
Holstein. Allerdings gibt es aus verschiedenen Landesverbänden
Parteitagsbeschlüsse (z.B. Hessen, Hamburg, Schleswig-Holstein) oder
Aussagen in Wahlprogrammen (z.B. Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz),
die eindeutig sind. Trotzdem würde es unserer Glaubwürdigkeit als Grüne
nützen, wenn dies aus allen Bundesländern in gleicher Klarheit auch
gegenüber Campact klargemacht würde. Denn bei TTIP & CETA geht es um
unsere Europäische Demokratie. Mit dieser Sorge sind wir nicht allein.
Jüngst machte das Belgische Wallonien klar, dass es der nationalen
Regierung Belgiens die Zustimmung zu CETA nicht erlauben wird. Damit
kann Belgien CETA vorerst nicht ratifizieren. Es wäre wichtig, dass
Belgien nun Rückenwind aus Deutschland und weiteren Mitgliedsländern
erhält. Je klarer wir als Grüne auf allen Ebenen kommunizieren, desto
größer sind unsere Chancen, dass bald nicht mehr über dieses TTIP oder
dieses CETA geredet wird, sondern worauf es wirklich ankäme: Einen
stärkeren internationalen Rahmen für Fairen Handel!

Mit grünen europäischen Grüßen
Sven Giegold

http://www.sven-giegold.de/2016/gruene-nrw-ceta-nicht-zustimmungsfaehig-2/

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